Eine KritikvonChristian Vock Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
Im Alltag nimmt man sich dafür zu selten Raum, aber ein Geburtstag ist doch eigentlich eine passende Gelegenheit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Und damit wären wir bei Sky angekommen. Beim Bezahlsender aus Unterföhring findet man die Idee eines Selbstgesprächs am Geburtstag offenbar auch ganz gut, auch wenn die Idee nicht der Persönlichkeitsbildung dienen soll, sondern der Unterhaltung.
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Man kennt sich: Dieter Hallervorden trifft Dieter Hallervorden Denn am Dienstagabend räumte Sky Schauspieler Dieter Hallervorden anlässlich dessen 88. Geburtstages ein bisschen Sendeplatz für ein außergewöhnliches Selbstgespräch frei. Außergewöhnlich, weil Hallervorden nicht etwa im inneren Monolog vor sich hin brabbelt, sondern weil er tatsächlich mit einer zweiten Version von sich selbst spricht. Möglich macht das eine sogenannte Deepfake-Technologie.
Dabei sammelte man Hallervorden-Material aus den vergangenen Jahrzehnten und fertigte aus den Daten eine digitale Maske von Dieter Hallervorden aus dem Jahr 1987 an. Dieser digitale Hallervorden trifft im Studio nun also auf den echten Hallervorden aus dem Jahr 2023. Damit dieses Gespräch Konturen hat, moderiert Komiker Michael Mittermeier das Gespräch zwischen den beiden Hallervordens.
Eine technisch wie kreativ spannende Idee, die aber auch auf beiden Ebenen gelingen muss. Oder anders gefragt: Funktioniert „Me & Myself“ als Show und als Unterhaltung? Die kurze Antwort: ja. Die lange Antwort: ja, aber nicht durchgängig. Trotzdem macht „Me & Myself“ Spaß.
"Die Höhle der Löwen": Als alle aussteigen, schnappt Ralf Dümmel zu „Me & Myself“: optisch beeindruckend „Es ist zum ersten Mal im deutschen Fernsehen, dass ein Künstler sich selbst trifft – aber aus einer anderen Zeit“, leitet Michael Mittermeier den Abend ein, und in der Tat, da sitzen sie: der lebende, echte Dieter Hallervorden in Hemd und Weste und mit schlohweißem Haar, ihm gegenüber sein digitales Alter Ego in einem wild gemusterten Pullover, mit etwas vollerem, braunem Haar und glattem Gesicht. Vielleicht ein bisschen zu glatt, ein Effekt, der an Computerspiele erinnert.
Ob das aber wirklich so ist, lässt sich schwer sagen, denn das eigene Gehirn vergleicht unweigerlich den KI-Hallervorden mit dem TV-Hallervorden aus den 1980ern, als die Fernsehbilder aber alles andere als hochauflösend waren. Trotzdem: Es ist beeindruckend, wie gut der 1987er-Hallervorden-Fake optisch gelungen ist und wie gut diese optische Täuschung im Interview als Gesprächspartner in Reaktion, Mimik und Gestik harmoniert und interagiert.
Optisch funktioniert „Me & Myself“ also tatsächlich als nahezu perfekte Illusion, aber das ist nur die halbe Miete. Die andere Hälfte ist das Verhalten des KI-Hallervorden, das, was er sagt und wie er es sagt. Der gibt sich als ganz vernünftiger Gesprächspartner mit Interesse an seinem älteren Ich, haut aber auch mal Sätze wie diesen raus: „Trotzdem glaube ich aber, dass das Publikum der bessere Zensor ist als promovierte Kissenpupser, die sich Fernsehredakteure nennen“, sagt der virtuelle Hallervorden, und es erscheint plausibel, dass er so etwas früher in dieser inhaltlichen Schlichtheit gesagt hätte – und auch heute noch sagen würde.
„Können Sie nicht mal ‚Palim Palim‘ sagen?“ In puncto Illusion kann „Me & Myself“ also durchaus überzeugen, aber funktioniert die Show auch als Abendunterhaltung? Als Idee, so viel kann man vorab sagen, auf jeden Fall. Denn mit einem Gespräch mit einem jüngeren Ich durchbricht Sky die Tradition langatmiger TV-Geburtstagsshows mit zum x-ten Mal gezeigten Rückblicken, Geburtstagsgrüßen anderer Promis und viel sentimentaler Weichspülerei. Das alles gibt es bei „Me & Myself“ zwar auch, aber meist auf einer ganz anderen Ebene.
„Wie werden die beiden Hallervordens aufeinander reagieren? Welche Ratschläge hat denn der ältere Dieter Hallervorden für den jüngeren? Wie happy ist der junge Dieter Hallervorden mit dem Lebenswerk des Älteren? Wir wissen um die Risiken. Es ist schon riskant, sich selber zu treffen“, erklärt Michael Mittermeier vor dem Gespräch und umschreibt damit den Reiz der Idee. Denn der künstliche 1987er-Hallervorden weiß natürlich nicht, was zwischen 1987 und 2023 passiert ist, und das ist ja schon eine ganze Menge – weltpolitisch wie persönlich.
Dementsprechend groß ist das Interesse des KI-Hallervorden an seiner eigenen Zukunft: „Wirst du auf Partys und Veranstaltungen gefragt: Ach, können Sie nicht mal ‚Palim Palim‘ sagen?“, fragt er den Gegenwarts-Hallervorden und der antwortet: „Es hat sich inzwischen so ein bisschen herumgesprochen, dass der private Dieter Hallervorden doch ‘ne Spur intelligenter ist als Didi. Und nach Schlosspark-Theater und vielen Filmen, die ich gemacht habe, ist dann diese plumpe Anmache doch eher dem Respekt und der Anerkennung gewichen.“
"ZDF Magazin Royale": Jan Böhmermann entzaubert vermeintlich sichere Geldanlage Ein bisschen zu gelassen: Dieter Hallervorden erfährt vom Ende der DDR Und so hangeln sich Michael Mittermeier und die beiden Hallervordens durch die Lebensstationen des Schauspielers und durch die vergangenen 36 Jahre: das Ablegen seiner Rolle als Didi, über die Wühlmäuse, seine Flucht aus der DDR, wie er seine Frau Christiane kennengelernt hat oder die Präsidentschaft von Donald Trump, und das macht deshalb Spaß, weil es sich anfühlt wie das Gespräch mit einem Zeitreisenden.
Also alles bestens? Im Grunde ja. Aber „Me & Myself“ hat auch ein paar kleine Momente, die nicht ganz aufgehen. Zum Beispiel, als der KI-Hallervorden erfährt, dass es die DDR nicht mehr gibt. Da nimmt er diese Information kurz ungläubig, aber ein bisschen zu abgeklärt zur Kenntnis und liest dann einfach in seinen Stasi-Akten, die ihm der 2023er-Hallervorden mitgebracht hat. Da hätte man schon ein wenig mehr Emotionen erwartet.
Nicht erwartet hat man hingegen eine allzu kritische Betrachtung Hallervordens. Die ist bei einer Geburtstagsshow, die „Me & Myself“ ja trotzdem ist, eher unüblich. Und so kann man Michael Mittermeier Aussagen wie „Der zeitlose Humor eines Didi“ durchgehen lassen. Auch, dass beide Hallervordens immer noch die Geschichte vom von der Kritik zu Unrecht verschmähten Charakterdarsteller am Leben halten – Schwamm drüber. Dieser Stachel sitzt bei Hallervorden offenbar zu tief, als dass er ihn sich selbst einmal ziehen würde. Das schmälert den Spaß an der Idee und Umsetzung der Show aber keineswegs.
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